Im Schuljahr 2021/2022 ist etwas Seltsames passiert: Am Tag vor den Winterferien, in der Stunde, als wir unsere Halbjahreszeugnisse bekommen haben, klopft es plötzlich an der Zimmertür. Dahinter war Herr Dr. Häuberer und wollte mit mir reden. Er erzählte mir etwas von der Deutschen SchülerAkademie (DSA) und hat mir angeboten, dass er mich dort bewirbt, wenn ich teilnehmen möchte. Was diese DSA überhaupt ist, fasst Wikipedia präzise zusammen: ein „außerschulisches Programm des Talentförderzentrums Bildung & Begabung zur Förderung besonders begabter und motivierter Oberstufenschüler“. Inwiefern „begabt“ und „motiviert“ wirklich auf mich zutraf, werden wir noch sehen…
Auch wenn der Begriff DSA nun „definiert“ ist, kann man sich darunter wohl jetzt noch nicht gerade viel vorstellen. Deshalb erstmal ein paar Worte dazu: Es gibt nicht die Schülerakademie, sondern mehrere jedes Jahr, die an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Themen stattfinden. Die Akademien finden immer in den Sommerferien oder in den letzten Schulwochen statt. (Ja, man kann sich somit ein bis zwei Wochen Schule sparen!) Jede Akademie besteht aus mehreren Kursen, von denen man selbst schließlich einen belegt und sich darin etwa 8 bis 16 Tage intensiv mit dem Kursthema befasst. Meistens gibt es an einem Akademieort Kurse zu den verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten, das können Naturwissenschaften (Chemie, Physik, Mathe, …), Gesellschaftswissenschaften (Geographie, Gemeinschaftskunde, …), Sprachen, Philosophie oder auch Mischungen sein. (Die DSA ist also nicht nur für Mathe-begeisterte Schüler, wie man es von Matheolympiaden und anderen Wettbewerben eigentlich gewohnt ist, sondern generell für solche, die in vielen Fächern besondere Leistungen erbringen.) Es gibt aber auch einige Akademien, deren Kurse einem zentralen Thema untergeordnet sind, wie die NachhaltigkeitsAkademie, QuantenAkademie und die Schülerakademie China. 2022 gab es auch noch zwei digitale Online-Akademien, bei denen man zuhause bleiben konnte und die Kurse via Microsoft Teams (Das soll hier keine Schleichwerbung sein!) stattfanden. Das war aber noch nicht alles, denn wenn man da nur im Kurs büffeln müsste, wäre das ja dem Schulunterricht viel zu ähnlich. Die Arbeit im Kurs nimmt nämlich nur den halben Tag ein, es gibt viele Pausen und zahlreiche kursübergreifende Aktivitäten (KüA). Als KüAs werden zum Beispiel musikalische, sportliche und spielerische Aktivitäten angeboten, somit ist für jeden was dabei. So, ich glaube, das waren jetzt genug allgemeine Infos zur DSA.
Kommen wir lieber zum spannendsten Teil, der alle Leser hier doch eigentlich am meisten interessiert (hust, hust): Habe ich bei der DSA mitgemacht? Ja. Was habe ich da gemacht? Wann ist dieser Artikel endlich vorbei?! Tja, das weiß man erst, wenn man ihn zu Ende gelesen hat…
Aber jetzt genug gescherzt.
Nachdem Herr Dr. Häuberer mich bei der DSA beworben hatte, konnte ich mich für einen Kurs anmelden. Ich muss vorab dazusagen, dass ich nicht so richtig 100 % Lust hatte, Zeit in den Sommerferien für so eine Akademie zu „opfern“ (so viel zum Thema motivierte Schüler), aber ich wollte diese einmalige Chance trotzdem nutzen, vielleicht würde es ja besser sein als erwartet. Meine Wahl fiel deshalb auf den Kurs „Quantenoptik und ihre Anwendungen“ aus der achttägigen digitalen QuantenAkademie, weil ich darauf achten wollte, dass die Akademie sich weder mit der Klassenfahrt noch mit meinem Urlaub zeitlich überschneidet. Für meinen Kurs war ein Vorbereitungsskript vorgesehen, das auf die mathematischen Grundlagen, die im Kurs benötigt werden, vorbereiten sollte. Es handelte sich dabei um komplexe Zahlen, die in der Schule gar nicht behandelt werden, sowie lineare Algebra und Vektoren, die man normalerweise erst in Klasse 11 kennenlernt. Als ich das Skript erstmals sah, stieg dementsprechend meine Überforderung, während meine Motivation stark abfiel. Nach einigen Wochen des Aufschiebens und Verdrängens dieser Hürde habe ich ein paar Tage „vor der Angst“ mit dem Skript angefangen, hatte ziemlich große Verständnisprobleme und konnte bei Weitem nicht alle Aufgaben lösen. (Deswegen rate ich ausdrücklich jedem vom Aufschieben von Aufgaben ab!)
Am ersten Tag der Akademie ging es erst am Abend los, wo zunächst alle Kurse in einer Videokonferenz zusammenkamen. Dort haben sich die Akademie- und Kursleitenden vorgestellt und uns erklärt, wie alles abläuft und dass wir uns respektvoll und freundlich verhalten sollen und so weiter. Richtig los ging es am Tag darauf, gleich 9 Uhr morgens im „Plenum“ mit allen Kursen, wo jeder Morgen begonnen wurde. Vorher konnte sich, wer wollte, auch noch zur Nachrichten-KüA treffen, die im morgendlichen Plenum die anderen über aktuelle Ereignisse und wissenschaftliche Neuerungen auf dem Laufenden hielten. 9:30 Uhr ging dann immer die Arbeit im Kurs los. Während der ersten Kurseinheit lernten wir uns alle erst einmal etwas kennen. Eine Kursrunde ging immer etwa drei Stunden lang, mit einigen Pausen zwischendrin und einer größeren Mittagspause zwischen erster und zweiter täglicher Kurseinheit. Am Abend folgte stets noch eine Pause für Abendbrot und danach konnten wir mit verschiedensten KüA-Angeboten einen lustigen Abend verbringen. Dabei war uns die Tatsache, dass es eine Online-Akademie war, kein Hindernis. Leute haben zusammen programmiert, gemeinsam gezeichnet oder Minecraft gespielt. Kreative Köpfe haben ein inoffizielles Logo für unsere Akademie für Erinnerungs-T-Shirts gestaltet, andere haben Musik am Computer erstellt und zusammengemixt. (Das Ergebnis findet man unter https://www.youtube.com/watch?v=kDS58Avel-E.) Jeden Abend wurde Gartic Phone und andere Online-Spiele gespielt. (Dabei ist zum Beispiel mal eine „verwirrte Kuh mit heiligem Pürierstab“ entstanden.) Auf den Vorschlag eines Teilnehmers hin haben einige von uns einmal „Model United Nations“ ausprobiert. Damit kann man die Arbeit der Vereinten Nationen nachstellen, indem man eine Delegiertenversammlung der UNO simuliert, bei der jeder Teilnehmer ein Land repräsentiert. In unserer Versammlung ging es um den Klimawandel, dabei war ich der Delegierte der Fidschi-Inseln. Das Ergebnis der Sitzung war, dass Unterstützungs-Fonds eingerichtet werden, um Staaten zu helfen, die durch den Klimawandel zunehmend von Naturkatastrophen heimgesucht werden.
Vormittags und nachmittags im Kurs haben wir uns mit Quantenzuständen sowie deren Beschreibung und Manipulation beschäftigt. Meistens lief das so ab, dass unsere Kursleiter uns zuerst etwas Neues erklärt, gezeigt und aufgeschrieben haben. Zwischendurch haben sie uns die ein oder andere Verständnisfrage gestellt und dann haben wir in Gruppen Aufgaben bekommen, wo das Thema jeweils gefestigt und erweitert wurde. Wir haben die Bloch-Kugel kennengelernt, mit der man Quantenzustände der wunderschönen Formel anschaulich visualisieren kann. Vorher lernten wir die deutlich ungefährlicher aussehende Variante . Später haben wir uns noch mit Zusammenhängen zwischen Licht und Qubit-Energiezuständen beschäftigt, wovon ich ehrlich gesagt nur wenig verstanden habe. In den letzten Tagen ging es dann um Quantentechnologien, also Anwendungen dieser ganzen Quantengeschichten. Dabei sollten wir in Gruppen jeweils einen Kurzvortrag über eine Quantentechnologie ausarbeiten, um sie den anderen im Kurs vorzustellen. Ich gehörte der Gruppe an, die sich mit Quantensimulation mit Rydberg-Atomgittern auseinandersetzte. Besonders interessant fand ich den Part, mit dem ich mich beschäftigt habe: das Phänomen der optischen Pinzette, auch optische Falle genannt. Durch dieses Prinzip können kleine Teilchen mit einem fokussierten Laser wie von Zauberhand (eigentlich durch elektromagnetische Wechselwirkungen und Impulsübertragung) im Brennpunkt des Lasers gehalten und damit bewegt oder angeordnet werden. Im Fall der Quantensimulation mit Rydberg-Atomgittern wird dies genutzt, um die Rydberg-Atome mithilfe der Laser als Gitter anzuordnen. Ich war übrigens sehr froh, dass ich in den Kurseinheiten nicht der Einzige war, der oft überfordert gewesen ist. Wir haben auch nicht alles geschafft, was unsere Kursleiter mit uns vorhatten, weil sie selbst zum ersten Mal einen DSA-Kurs geleitet haben und die ganze Sache daher zeitlich nicht richtig einschätzen konnten.
Am mittleren Tag (Sonntag) fanden zur Abwechslung mal keine Kurse statt, sondern ein kursübergreifendes Programm, die Quantenrallye. In Gruppen, sogenannten Qlans, bestehend aus Teilnehmern verschiedener Kurse, hatten wir verschiedene Aufgaben. Es gab Knobel-Rätsel, witzige Aufgaben und solche, für die wir mal an die frische Luft konnten. Wir sollten versuchen, einen möglichst tief- und einen möglichst hochgelegenen Ort zu besuchen. (Ich bin dazu mit dem Fahrrad spontan auf den Schatzenstein gefahren.) Außerdem sollte jeder ein Bild von einem Hahn machen. In meiner Unkreativität bin ich dabei nicht auf die Idee gekommen, einfach einen Wasserhahn zu nehmen. Stattdessen bin ich zum nächstgelegenen Bauernhof gefahren und habe gefragt, ob ich eines der Tiere dort fotografieren darf. (Mann, war das peinlich…) Es konnte sich auch jeder Teilnehmer in einer Weltkarte eintragen, wo er ist oder wo er gerne sein würde. (Seltsam, weil dadurch jegliche Aussagekraft verloren geht.) Auf der Karte konnte ich dann sehen, dass ich einer von zwei Leuten aus Ostdeutschland war und der einzige aus Sachsen, was entweder heißt, dass tatsächlich niemand anderes von dort kommt oder dass alle, die von dort kommen, lieber woanders wären. (Traurige Vorstellung, irgendwie…) An dem Tag gab es dann einen Zukunftsabend, wo wir die Möglichkeit hatten, die Kursleiter und Mitarbeiter zu ihren Berufen und zum Studium zu befragen.
Am nächsten Tag (Montag) gab es statt der Vormittags-Kurseinheit eine „digitale Exkursion“ zum IT-Unternehmen IBM. Dabei wurde uns einiges über Quantencomputer erzählt und wir haben interaktive Übungen zur Quantencomputer-Logik gemacht. Außerdem haben die Referenten von IBM auch viel Werbung für duale Studiengänge und Ähnliches bei ihrem Unternehmen gemacht.
Am letzten vollen Tag (Mittwoch) haben ganz normal die Kurseinheiten am Vor- und Nachmittag stattgefunden. Die Abendgestaltung bestand jedoch nicht wie üblich aus ganz normalen KüAs, sondern es war ein bunter Abend, der damit begann, dass wir zusammen „gekocht“ haben. Dabei handelte es sich um Nusskrokant als Snack für den Abend und um selbstgemachten Eistee. Am wirklichen Abend haben verschiedene KüAs ihre Ergebnisse vorgestellt und man konnte auch selbst einen künstlerischen Beitrag leisten, wenn man wollte. Es gab die witzigsten Gartic-Phone-Werke in einem lustiges Video zu sehen, der Vertrag, der bei der Model-United-Nations-Sitzung abgeschlossen wurde, wurde verlesen, eindrucksvolle Zeichnungen wurden gezeigt, die Musik-KüA stellte ihr fertiges Werk vor (immer noch auf https://www.youtube.com/watch?v=kDS58Avel-E zu finden) und vieles, vieles mehr. Es war ein sehr schöner, lustiger Abend als (Fast-) Abschluss der Akademie.
Am allerletzten Tag (Donnerstag) war nämlich das wahre Ende der QuantenAkademie. In unseren Qlans von der Quantenrallye teilten wir uns gegenseitig mit, womit wir uns in unseren Kursen so beschäftigt haben. (Ein Kurs, wo es um Quantenmechaniken im Zusammenhang mit Philosophie ging, beschäftigte sich zum Beispiel mit der Definition des Wortes „Definition“.) In den Kursen fand eine Abschlussrunde mit Feedback und allerhand guten Zukunftswünschen statt. Schließlich gab es einen langen Abschluss im Plenum, wo wir erfuhren, dass diese Akademie nicht unsere letzte gewesen sein muss. Es gibt nämlich einen Verein für ehemalige DSA-Teilnehmer, wo man die Möglichkeit hat, an weiteren Akademien teilzunehmen, von denen jährlich mehrere stattfinden. Aufgrund meiner anfänglichen Zweifel bezüglich dieser Akademie hätte ich nie gedacht, dass das Ende so sentimental werden würde. Mit emotionaler Musikuntermalung haben sich alle gemeinsam noch einmal mit Bildern an die letzten Tage erinnert. (Wie kann man bei „One Moment in Time“ von Whitney Houston nicht sentimental werden?) Dabei konnte jeder den anderen Teilnehmern oder Kursleitern noch einen Abschiedsgruß schreiben. Allerdings war das nicht das absolute Ende dieser Gemeinschaft, denn die QuantenAkademie 2022 lebt weiter fort als WhatsApp-Gruppe und Discord-Server, wo bis heute ab und zu geschrieben wird oder gemeinsame Aktivitäten stattfinden.
Zum Ende dieses Artikels möchte ich mich noch bei Herr Dr. Häuberer für das Überbringen des Angebotes bedanken und empfehle jedem, der auch die Möglichkeit für die Teilnahme an der DSA erhält, die Chance zu nutzen, denn es war eine super Erfahrung und hat sehr viel Spaß gemacht.
von Jonas Seidel, Jgst. 11